Mit dem mittlerweile vierten Teil schließt der Entwickler Nihon Falcom die monumentale The Legend of Heroes: Trails of Cold Steel – Saga ab, die damals im Jahre 2013 auf der PlayStation Vita und der PlayStation 3 ihren Anfang nahm. Ob sich die lange Reise mit den Rekruten Kurt, Juna und Altina lohnt, erfahrt ihr hier im Test.
Be patient
Wer in den vollen Genuss des Spiels kommen möchte, dem sei Geduld ans Herz gelegt. Sie ist bekanntlich nicht nur eine Tugend, sondern hier auch wirklich Voraussetzung, dass man Freude am Spiel hat. Story und Gameplay schreiten in eher gemächlichem Tempo voran, zahlreiche Zwischensequenzen sind zu bestaunen, unterbrechen eben aber auch oft den Spielfluss. Natürlich ist es auch dem Genre geschuldet, japanische Rollenspiele kommen eben langsam in Fahrt, aber im Fall von Trails of Cold Steel fiel es mir persönlich besonders stark auf. Das Spiel fordert durchaus heraus und ist für Neueinsteiger in die Serie oder in das Genre weniger geeignet. Dies beginnt schon bei der Geschichte, die sich einem Serienneuling (der Verfasser dieses Tests ist so einer 12) kaum erschließt. Ihr erhaltet zahlreiche Rückblenden, könnt in den Archiven die Geschichte der Vorgänger nachlesen (tatsächlich lesen, ein Video, das die Ereignisse kurz zusammengefasst hätte, wäre sehr gelegen gekommen!), habt zahlreiche Archive und Texte zu den einzelnen Charakteren. Das ist alles sicher gut gemeint, aber ein wenig moderner und spannender hätte man das aufziehen können, ein reiner Text ist hier wenig hilfreich und motiviert nicht wirklich, sich in die Geschichte hineinzulesen, womit für mich ein wesentliches Element japanischer Rollenspielkultur verloren geht: die Bindung zu den Charakteren, ein Eintauchen in die Geschichte, in die Schicksale (immerhin befinden wir uns im Kontext eines aufkeimenden Bürgerkriegs) rückt dadurch ein wenig in den Hintergrund. Klarer Wissensvorsprung für Kenner der Serie, die hier einen immensen Vorteil haben und es sei jedem ans Herz gelegt, die Reihe wirklich chronologisch durchzuspielen. Die Ereignisse und Schauplätze knüpfen unmittelbar an das Ende des dritten Teils an.
Erschwert wird der Einstieg auch dadurch, dass das Spiel nicht auf Deutsch lokalisiert wurde, ihr müsst also recht gut Englisch können, um dem Spiel folgen zu können, bei der Vertonung der Dialoge habt ihr immerhin die Auswahl zwischen Englisch und Japanisch. Für die Atmosphäre sicherlich eine schöne Option, auch wenn die Wenigsten des Japanischen mächtig sein werden. Die Sprachausgabe im Englischen kommt sauber daher, die Stimmen passen, die Sprachsamples in den Kämpfen sind gut gelungen. Es bleibt ein Rätsel, warum man auf eine durchgehende Vertonung verzichtet hat, manchmal unterbricht die Sprachausgabe sogar mitten in einem Dialog, was sich mir nicht erschließt. Auch hier wirkt der Titel zunächst recht angestaubt, was sich auch in der Grafik zeigt. Die Switch-Version könnte definitiv detailreicher ausfallen und flüssiger ausfallen, besonders starke Einbrüche bei der Framerate hatte ich immer im Handheldmodus, im TV-Modus ging es ganz gut. Die Oberwelt, die Animationen, die Städte, das Gegnerdesign uvm. könnte alles in allem aber noch ein bisschen Politur vertragen, es wirkt alles ein wenig detailarm und hölzern. Die Technik ist definitiv der Schwachpunkt des Spiels. Auch wenn Nintendos Kleine sicher nicht zu den Technikgiganten gehört, wäre hier für meine Begriffe deutlich mehr drin gewesen.
Kampf statt Krampf
Jedes JRPG steht und fällt mit dem Kampfsystem. Da ihr den Großteil des Spiels auf dem Kampfbildschirm verbringt, muss es Spaß machen, motivieren und den Spieler gut belohnen. Hier punktet das Spiel definitiv. Untermalt von toller Musik bestreitet ihr die Kämpfe in einem klassisch rundenbasierten Kampfsystem, für welches das Spielgeschehen in einen eigenen Bildschirm wechselt und ihr abwechselnd eure Charaktere kommandiert. Die typischen Aktionen dürfen hier natürlich nicht fehlen: Standard- und Spezialangriffe, Zauber, Heilungen, Fluchtmöglichkeiten uvm. stehen euch in einem übersichtlichen Menu zur Verfügung. Es ist eigentlich selbsterklärend, was ihr zu tun habt. Ein kleiner Kniff bietet das Spiel aber auch. Die Position eurer Gegner und eurer eigenen Charaktere hat einen großen Einfluss auf das Kampfgeschehen, weil es sich bei den sogenannten Crafts um Attacken handelt, die eine ganze Fläche abdecken, nicht nur einen bestimmten Gegner. Eure Gegner also so zu positionieren, dass ihr mit einer Attacke möglichst viele Gegner trefft, ist also von Vorteil und ein schönes strategisches Element.
Das gilt umgekehrt natürlich ebenfalls, auch eure Gegner werden euch flächenmäßig angreifen, wenn ihr sehr dicht beieinandersteht. Mit euren Spezialangriffen verbraucht ihr auf einen Schlag alle Craftpoints, richtet aber dafür verheerenden Schaden an. Besser also für die großen Gegner aufheben 12 Genretypisch spielen auch gegnerische Schwächen gegen bestimmte Elemente, Statusschwächen und Resistenzen eine Rolle, die ihr nach und nach über eure Gegner erfahrt. Auch hier motiviert das Herausfinden immer mehr, weil ihr Gegner und Kämpfe dadurch immer besser beherrscht. Eine schöne und motivierende Belohnung. Man merkt einfach mit zunehmender Spieldauer immer mehr, dass man immer besser wird und die Herausforderung (besonders bei den Bosskämpfen) aber trotzdem erhalten bleibt. Erfahrungsboni gibt es, wenn ihr den Kampf bspw. ohne eigenen Schaden meistert, Combos ausführt oder mehrere Gegner auf einmal schlagt. Im späteren Spielverlauf erhaltet ihr noch schlagkräftige Unterstützung durch riesige Mechs, die ihr im Kampf als Unterstützung rufen könnt.
Kurzum: es macht einfach Spaß zu kämpfen und die Charaktere aufzuleveln, Beziehungen zwischen den Charakteren zu stärken, um so häufiger Kettenangriffe starten zu können, Gegnerangriffe zu parieren und einfach das Kampfsystem zu meistern. Hier haben die Entwickler definitiv Mühe reingesteckt, die sich auszahlt und das Spiel enorm aufwertet. Die Spezialangriffe sind optisch schön in Szene gesetzt, das Kampfgeschehen musikalisch gut untermalt und die Action ist kurzweilig und spaßig, aber doch auch anspruchsvoll. Über euren „Arcus“ (so nennt sich das Gadget, das ihr bei euch tragt) könnt ihr die Fertigkeiten und Talente eurer Charaktere gezielt steuern und trainieren. Bei anderen RPGs gibt es eben Berufe, hier dieses Gadget. Auch hier gibt es unzählige Facetten und Varianten, auch hier ist wieder Geduld, aber auch Experimentierfreudigkeit gefragt, da ihr die Charaktere ganz unterschiedlich trainieren könnt. Fokus auf Zauber- und Magiefähigkeiten? auf hohe HP? auf Schlagfertigkeit? Eine Mischung? Alles ist möglich, das Spiel lässt euch hier sehr viel Freiheit. Vorbildlich! Was will man mehr?
So viel das Spiel beim Kampfsystem richtig macht, so sehr steht das Geschehen außerhalb der Kämpfe ein wenig im Schatten. Versteht mich nicht falsch, das Spiel wirkt zu keinem Zeitpunkt schlecht oder auch nur mittelmäßig. Es ist ein durch und durch gutes Spiel, das Vieles richtig macht. Ob es die bequeme Vorspulfunktion, wodurch ihr das Lauftempo verdoppelt und das Reisen dadurch erheblich angenehmer macht, ob es die übersichtliche Karte ist, auf der ihr auch immer angezeigt bekommt, wo ihr die Story voranbringt (langes Suchen ist also nicht), ob es die Schnellreisefunktion ist. Das alles ist gut und stimmig, erleichtert den Spielfluss und macht das Spielen angenehmer, das sind richtige Designentscheidungen. Und doch verweile ich nicht wirklich gerne in der Welt, was sicher auch der angestaubten Präsentation zu „verdanken“ ist, aber auch fehlenden Beschäftigungen. Man kann angeln, aber wirklich spaßig ist es nicht. Man kann in den Städten Minispiele spielen, aber wirklich spaßig sind sie nicht. Man kann sich recht frei in der Welt bewegen, aber wirklich einladend ist sie nicht, weshalb ich in aller Regel zum nächsten Punkt der Story gerannt bin.
Autor: Stjepan Prtjenaca
- Plattform: Nintendo Switch (getestet), Steam, PS4
- Publisher: NIS America
- Entwickler: Nihon Falcom
- Genre: JRPG
- Spieleranzahl: 1
- Startpreis 59.99 Euro
- USK: 12
- Release: 09. April 2021
Wenn ich daran denke, dass ich mehr in meinem Leben mit Videospielen zu tun hatte als nicht, zeigt es mir zum einen, wie alt ich bin und wie lange ich mittlerweile dem Gaming zugetan bin. Meine erste Konsole war das SNES und spätestens ab diesem Zeitpunkt war ich dieser Leidenschaft verfallen, die bis heute anhält. Auch wenn durch den Alltag leider die Zeiten von verspielten Tagen vorbei sind.
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