2013 kam Ostwind in die Kinos und wurde ein riesiger Erfolg. Der Film handelt von der rebellischen Mika, die sich mit dem Pferd Ostwind anfreundet und auf dem Hof Kaltenbach viele Abenteuer erlebt. Viele auch deshalb, da nun mit Ostwind: Aris Ankunft die dritte Fortsetzung abgedreht wurde. Da auch Kinderstars erwachsen werden, spielt im vierten Teil Mika nicht mehr die Hauptrolle, sondern Ari, die einen ähnlichen Werdegang wie einst Mika vorzuweisen hat, was die Persönlichkeit anbelangt, ebenso, dass sie zum ersten Mal auf Ostwind trifft. Videospielumsetzungen zu erfolgreichen Filmen sind nichts Neues, sodass wir der Switch-Version (es gibt auch eine PS4- und PC-Fassung) des Open World Games einen Test unterzogen haben.
Open World?
Ja, ihr habt richtig gelesen. Aesir Interactive aus München haben sich das ambitionierte Ziel gesteckt, dem Spiel eine Open World zu spendieren, was für diese Art von Spielen (wir reden hier von einem Game, dass vor allem junge Pferdefreunde ansprechen wird) eher unüblich ist. Die Welt von Aris Ankunft ist auch ziemlich groß und besteht neben Gut Kaltenbach aus vielen weiteren Örtlichkeiten. Landschaftlich geprägt von blühenden Wiesen, Feldern, Wäldern, Bächen, Teichen, kleineren Seen und Bergen. Alles in Allem sehr idyllisch. Optisch wird also durchaus Abwechslung geboten und durch Wegmarkierungen und Aufrufen der Karte habt ihr stets im Blick, wo ihr euch befindet und wo sich das nächste Ziel befindet.
In Ostwind: Aris Ankunft spielt ihr im Groben die Geschichte des Filmes nach und übernimmt die Kontrolle von Ari, die auf das Gut Kaltenbach kommt. Durch ihr Wesen macht sie sich nicht gerade viele Freunde und sie ist eine Person, die gerne aneckt, mal selbst verschuldet, aber ebenso, dass sie für manches nichts kann. Im Pferd Ostwind erfährt sie jedoch sofort eine Art Seelenverwandtschaft. Auf dem Hof selbst ist vieles im Argen, zumindest soll man diesen Eindruck gewinnen und es wird im Grunde gesagt, dass er mit der Zeit gehen, sich modernisieren muss. Das soll mit Hilfe von Isabell geschehen, die als neue Leiterin fungieren wird, während die Hausherrin mehr und mehr ihren Ruhestand wahrnehmen soll.
Letzten Endes dreht sich die Story darum, dass Ari zusammen mit Ostwind und ihren neuen Freunden genau diesen Prozess aufhalten will, denn die Strippenzieher haben in Wirklichkeit wenig Gutes im Sinn und streben eine Gewinnmaximierung und Kommerzialisierung um jeden Preis an. Mika, die eigentliche Besitzerin von Ostwind (liegt seit den Ereignissen am Ende des dritten Filmes im Koma) unterstützt Ari ebenfalls als eine Art Geist, der zu ihr spricht.
Die Welt kennen lernen
Typisch für eine Open World ist, dass es Haupt- und Nebenmissionen gibt, was auch hier der Fall ist. Jedoch wird man als Spieler nicht mit 20 Missionen auf einmal erschlagen, so existieren nur wenige Nebenmissionen, die parallel zur Hauptstory laufen.
Unterwegs seid ihr sowohl zu Fuß und natürlich viel auf dem Rücken des Pferdes. Ari selbst kann laufen (sehr langsames Lauftempo), springen und auch einen Bogen einsetzen, der hier und da mal für etwas zu gebrauchen ist. Auf Ostwind stehen mehrere Geh- und Laufgeschwindigkeiten von Trap bis hin zu Galopp zur Verfügung. Dazu kann das Pferd ebenfalls springen und für eine bestimmte Zeit sprinten. Nach einer Erholungsphase steht dann der Sprint erneut bereit.
Das Missionsdesign ist häufig so gestaltet, dass ihr von einem Ort zum nächsten geschickt werdet. Dadurch lernt ihr von alleine eure Umgebung kennen, die so groß ist, dass eine Schnellreisefunktion wünschenswert wäre, die es aber leider nicht gibt.
Speichern könnt ihr an Lagerfeuern (müssen zunächst entdeckt werden) und es gibt eine Autosavefunktion, die aber eher großzügig zum Tragen kommt, weswegen ihr lieber auf Nummer sichergehen und an einem Lagerfeuer rasten solltet, bevor ihr das Spiel beendet.
Bevor ich vollständig in die Kritikpunkte gehe, möchte ich noch ein paar positive Dinge erwähnen. Es ist schön, dass das Spiel komplett in deutscher Sprache daherkommt und die Vertonung durch die Bank eine solide Arbeit leistet. Die Soundkulisse, wenn ihr unterwegs seid, erinnert durch die schimmernde Soundkulisse an Skyrim, was daher durchaus gelungen ist. Die Welt wirkt organisch und wie erwähnt werden optisch einige Reize geboten, die zum Entdecken einladen. Doch leider gibt es so gut wie nichts zum Sammeln und Interagieren.
Katastrophale Technik und unausgegoren
Ihr findet verlassene Häuser vor, entdeckt Ruinen, durchwandert die Landschaft. Ihr gelangt auch in ein Dorf, das jedoch wie eine Geisterstadt wirkt. Diese Welt wirkt so, als wäre sie nicht bevölkert. Es kommt selten vor, dass ihr Mal ein Tier außerhalb einer Mission zu Gesicht bekommt und auch sonst sieht es so aus, als wenn niemand in dieser Welt leben würde. Es gibt nichts zum Einsammeln, kein Inventar, alles wirkt daher nur wie eine Fassade, mit der ihr nicht interagieren könnt. Wozu also die Welt erkunden, wenn ihr dort nichts machen könnt? Der beste Beleg dafür sind die Nebenmissionen, für die ihr beim Absolvieren keine Belohnung erhaltet. Aris Fähigkeiten lassen sich nicht verbessern, es gibt also keinen wirklichen Anreiz, sie meistern zu wollen.
Ich habe lange Geduld bewiesen und versucht, die Hauptstory durchzuspielen. Nach mehreren Stunden war dann der Punkt erreicht, dass ich mir das Geschehen nicht mehr antun wollte, aus purer Langeweile durch einen monotonen Spielablauf und weil die Technik katastrophal ist (ein Spielabsturz sollte dann das Fass zum Überlaufen bringen).
Was macht das Spielgeschehen langweilig? Zum Beispiel, dass ihr in den Missionen immer längere Wege zu gehen habt und diese durch die fehlende Schnellreisefunktion auch immer vollständig gehen müsst. Dazu wiederholen sich die Missionen in ihrer Art ständig, sodass sie eben hauptsächlich daraus bestehen, von einem Ort zum anderen zu reiten, jemanden hinterher zu reiten oder irgendwo, irgendwas einzusammeln. Und wenn dann mal Abwechslung geboten wird, ist dieses alles andere als Zielgruppengerecht.
Das Zusammentreiben von entlaufenden Kühen entpuppte sich als minutiöse Kleinstarbeit, da jede Kuh sich nur eingeschränkt bewegt und ihr euch hier sehr genau bewegen müsst, was aber durch das Lauftempo des Pferdes kaum möglich ist. Das Treiben zurück zur Weide ist zudem keine kurze Distanz, sodass diese Mission Minute um Minute verschlang und einfach keinen Spaß machte und mehr zu einer Anstrengung wurde.
In einem weiteren wiederkehrenden Missionstyp müsst ihr die Verfolgung aufnehmen. Abgesehen davon, dass in der Realität nicht möglich ist, per Pferd einem PKW zu folgen (es sei denn das Fahrzeug fährt wie hier nicht schneller als 30km/h), war einmal das Balancing komplett verhunzt, das auch hier die angedachte Zielgruppe Probleme bekommen könnte, die Mission zu meistern.
Denn beim Verfolgen kommt es darauf an, sowohl einen Mindestabstand zu halten als auch nicht zu weit vom Zielfahrzeug entfernt zu sein. Und genau diesen Sweetspot beizubehalten, ist hier sehr schwer, da der Radius zu eng gewählt wurde. Sobald ihr außerhalb seid, habt ihr wenige Sekunden Zeit, wieder zurück in ihn zu gelangen. Wird es nicht geschafft, startet die Mission wieder von vorne. Da die Strecke ziemlich lang ist, wird das Geschehen bei nicht gelingen zunehmend frustrierend. Den Abstand zu wahren, bzw. mit dem PKW mitzuhalten wird dadurch erschwert, dass das Auto in manchen Abschnitten dann doch auf einmal beschleunigt und ihr auf dem Pferd kaum noch hinterherkommt.
Bei der Technik könnte man wohl fast jede Unzulänglichkeit aufzählen, die es in Videospielen gibt. So wird euch eine geringe Auflösung geboten, umso schlimmer, wenn ihr im Handheldmodus unterwegs seid. Sobald ihr auf Ostwind reitet, liegt die Bildrate größtenteils unter 30 Bildern pro Sekunde und Pop Ups gibt es überall zu sehen. Dazu gesellen sich Matschtexturen, Texturen, die sich manchmal gar nicht laden wollen, Clipping Fehler en Masse, grässliche Charaktermodelle und die Gesetze der Physik scheinen stellenweise auch außer Kraft gesetzt. So ist es möglich, in ein Bachbett zu reiten und sich komplett unter Wasser im normalen Tempo fortzubewegen.
Sich festreiten, also irgendwo hängenbleiben kommt auch vor. Zum Glück lässt sich Ostwind rufen, sodass er wieder in eurer Nähe auftaucht. Nur kann das zu skurrilen Momenten führen, wie die Screenshots beweisen.
Storysequenzen scheinen auch manchmal nicht abgespielt zu werden, sodass ich mich nach der Beendigung einer Mission an einem komplett anderen Ort befand ohne zu wissen, was dazu geführt hat.
Bei den Anzeigen wie Bildschirmtexte oder der Meteranzeige treten die Probleme auf, dass diese zu klein dargestellt werden, ebenfalls sowohl im Handheldmodus als auch auf dem Fernseher. Es existiert ein Tag- und Nachtwechsel mit dem Ergebnis, dass ihr nachts die voreingestellte Helligkeit nach oben schrauben müsst, da ihr sonst zu wenig sieht und diese dann sobald es Tag ist, natürlich wieder umstellen müsst, um nicht von Spielgrafik „geblendet“ zu werden.
Es ist erstaunlich, dass ich trotz all dieser technischen Probleme nur einen Spielabsturz hatte, was schon an Galgenhumor grenzt. Wenn ihr die ganze Zeit damit zu tun habt und euch immer wieder die gleiche Art von Missionen vor kredenzt wird, dann werdet ihr entnervt aufgeben und einfach die Lust am Spiel verlieren. Natürlich beruht meine Kritik auf die vor mir liegende Switch-Version. Dass das Spiel durchaus Potential besitzt, ist erkennbar, nur muss hier noch viel Arbeit reinfließen, sowohl was die Technik als auch generell die Spielbarkeit angeht.
- Plattform: Nintendo Switch
- Publisher: EuroVideo Medien
- Entwickler: Aesir Interactive
- Genre: Action-Adventure, Open World
- Release: 11. April 2019
- Spieleranzahl: 1
- USK-Freigabe: 0
Wenn ich daran denke, dass ich mehr in meinem Leben mit Videospielen zu tun hatte als nicht, zeigt es mir zum einen, wie alt ich bin und wie lange ich mittlerweile dem Gaming zugetan bin. Meine erste Konsole war das SNES und spätestens ab diesem Zeitpunkt war ich dieser Leidenschaft verfallen, die bis heute anhält. Auch wenn durch den Alltag leider die Zeiten von verspielten Tagen vorbei sind.
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