Ein RPG japanischer Prägung mag auf der Switch mittlerweile nichts Bahnbrechendes sein und lässt wohl erst einmal die wenigsten Spieler aufhorchen. Im Gegensatz zu Nintendos früheren Konsolen ist die Dichte an Rollenspielen erfreulicherweise sehr hoch und lässt Liebhaber des Genres eine stattliche Auswahl an Titeln. Tokyo Xanadu eX+ reiht sich in die zahlreiche Riege an RPGs und auch in die zahlreiche Riege an Ports auf der Switch ein. Was Spieler hoffentlich aufhorchen lässt, ist die Qualität des Spiels, denn die ist ohne jeden Zweifel erhaben. Ein kleines „hidden gem“, das sich hier auftut und hoffentlich den Weg in Zahlreiche Konsolen finden wird. Was das Spiel auszeichnet, verraten wir euch in diesem Test.
Der Spieler schlüpft in die Rolle des High-School-Studenten Kou, der ein eher unauffälliges Leben führt und neben der Schule noch der ein oder anderen Beschäftigung nachgeht, um ein wenig Geld zu verdienen. Eines Tages stellt Kou einer hübschen Klassenkameradin nach und entdeckt dabei eine Parallelwelt, in der ein großer Teil von Tokyo Xanadu spielen wird. Bei dieser Parallelwelt handelt es sich um die sogenannte Eclipse, die durch Risse in der „realen“ Welt passierbar wird und in der den Spieler Horden an Monstern und Gegenständen erwarten. Die Klassenkameradin scheint mehr über diese Parallelwelt zu wissen, als sie im ersten Moment vorgibt und so entwickelt sich langsam die Party und die Geschichte rund um diese mysteriöse Welt beginnt, Gestalt anzunehmen. Genretypisch wird die Gruppe mit zunehmender Spieldauer immer größer und es finden sich unterschiedliche Charaktere in der Gruppe zusammen und beginnen, die Rätsel um diese beiden Welten zu erforschen.
Die Charaktere werden dabei übersichtlich und ausführlich beschrieben und in die Gruppe eingeführt, meistens über ein eigenes kleines Kapitel, bevor die „Main Quest“ weitergeht. So lernt man die Charaktere und deren Hintergründe genau kennen. Dies wiederum motiviert sehr, der Geschichte zu folgen und auch über die sehr textlastigen Einführungen hinwegzusehen und einfach „am Ball zu bleiben“. Auf den Text ist der Spieler angewiesen, denn synchronisiert ist das Spiel nur auf Japanisch – ein kleiner Wehrmutstropfen. Dafür war das Budget beim Entwickler wohl nicht groß genug. Wenn wir schon auf dieses Thema zu sprechen kommen: die Vertonung kommt manchmal halbgar daher. Mitten im Dialog wird beispielsweise die Synchronisation abgebrochen und längst nicht alle Dialoge sind vertont. Das schmälert nicht nur die Immersion, sondern auch den technisch guten Eindruck, den Tokyo Xanadu über das ganze Spiel hinterlässt. Ein großes Kompliment muss hier an den Entwickler gehen! Das Spiel läuft sehr flüssig und weich und grafisch und musikalisch erwartet den Spieler sicher kein Feuerwerk, aber doch ein technisch sehr gelungenes Spiel mit ansprechendem Umfang.
Wie spielt es sich nun in der Welt von Kou? Das Gameplay bietet dem Spieler zwei klar voneinander getrennte Teile an. Die Eclipse und die Freizeit an der High-School und in der näheren Umgebung, die die „Oberwelt“ darstellt. Die Oberwelt ist nicht frei erkundbar, aber der Spieler kann über eine sehr komfortable Schnellreisefunktion einzelne Gebiete anwählen und dort Freizeit verbringen. Hier können sowohl neue Gegenstände erworben werden als auch Nebenaufgaben erledigt werden, über die Kou seine Beziehung zu seinen Kameraden verbessert. Dies wirkt sich dann auch positiv auf das Kampfgeschehen auf, etwa indem die Verbundattacken stärker werden, die Werte der Charaktere gesteigert werden usw. Die Freizeit kann nicht unbegrenzt begangen werden. Der Spieler hat dafür Punkte, wobei für jede Aufgabe ein Punkt der Freizeit verlorengeht. Sind alle Punkte aufgebraucht, ist die Freizeit zu Ende und Nebenaufgaben können nicht mehr ausgewählt werden. Es liegt also am Spieler selbst, zu welchem Charakter er seine Bindungen stärken möchte. Hier ist Taktik und ein gewisses Kalkül gefragt. Weiters können im Laufe des Spiels auch optionale Dungeons erkundet werden, die nicht Teil der Hauptstory sind und deren Erkundung dem Spieler weitere Punkte für die Freizeit beschert. Ein lohnendes Unterfangen also! Ein weiterer Pluspunkt im Gameplay: der Spieler kann das Spiel beschleunigen und in den High-Speed-Mode wechseln. Insbesondere bei längeren Wegen oder langen Dialogen ist das eine Funktion, die man gerne in allen Spielen sehen möchte. Die Zeit des Spielers ist kostbar und durch eine solch bequeme Funktion wird diesem Umstand Rechnung getragen. Sehr gut!
Wenn Kou gut gerüstet und ein wenig aufgewertet ist, kann auch der nächste Dungeon erkundet werden. Hier liegt das Hauptaugenmerk von Tokyo Xanadu und auch hier weiß das Spiel zu gefallen. Die Dungeons sind keineswegs komplex. Zu Beginn verrät das Spiel dem Spieler, welche Gegnertypen im kommenden Dungeon auftreten. Auf dieser Grundlage lässt sich eine gute Gruppe zusammenstellen, um die Stärken gegen die Gegnertypen auszuspielen. Naturgemäß hat jeder Gegnertyp eine besondere Schwäche. So gilt es eben, die Gruppe entsprechend zusammenzustellen und den Dungeon gut zu meistern. Das Ziel der Dungeons liegt immer klar vor Augen, verlaufen kann man sich eigentlich nicht. Alle paar Schritte warten kleinere oder größere Zwischengegner, die Kou in bester Hack&Slay-Manier besiegen muss. Dem Spieler stehen dabei unterschiedliche Attacken zur Verfügung. Nahattacken, Fernattacken, Magie, unterschiedliche Verbundattacken (die allerdings entsprechende Punkte kosten). Das Gameplay geht absolut flüssig von der Hand und nach etwa 5-6 Spielstunden hat das Spiel alle grundlegenden Gameplayelemente erklärt. Während die kleineren Gegner meistens Kanonenfutter sind, braucht es für die Bosse am Ende der Dungeons schon bessere Reflexe. Das Spiel ist nie unfair oder schwer (wenigstens auf normalem Schwierigkeitsgrad), aber mit bloßem „Buttonmashing“ kommt der Spieler bei Bossen nicht weit. Hier sind Reflexe gefragt, hier muss man mit gutem Timing den Attacken ausweichen und kontern und Schwachstellen herausfinden. Hier schafft Tokyo Xanadu etwas, das vielen modernen Spielen abhandengekommen ist: eine gute Balance zwischen Herausforderung und Zurücklehnen. Die Rücksetzpunkte sind fair, so dass Niederlagen gegen Bosse kein großes Problem darstellen. Kurz vor dem Boss findet sich immer auch eine Möglichkeit, sich mit Items einzudecken oder seinen Charakter neu auszurüsten. Wer mit der Trails-Serie Bekanntschaft gemacht hat, wird das Orbsystem sofort erkennen. Mit allerhand verschiedenen Orbs kann der Charakter neu ausgerüstet werden und so beispielsweise ein Fokus auf defensive Statuswerte oder unterschiedliche Elemente (Wind, Eis, Feuer usw.) gelegt werden. Je nachdem, welche Schwäche die Gegner haben, ist auch hier wieder Taktik und eine geschickte Zusammenstellung der Charaktere gefragt. Das macht einfach Spaß und motiviert, zumal die Kombinationsmöglichkeiten sehr umfangreich ausgefallen sind und nur darauf warten, erprobt und entdeckt zu werden.
Fazit
Alles gut also? Im Grunde ja! Tokyo Xanadu eX+ macht durchgehend Spaß und weiß zu motivieren. Sicher ist technisch nicht alles Gold, was glänzt, aber das wird durch flüssiges und spaßiges Gameplay längst ausgeglichen. Das Spiel hat keinen Bereich, in dem es die absolute Referenz und Speerspitze bildet, so viel muss auch klar sein. Aber es macht auf der anderen Seite so gut wie nichts falsch. Wer ein wenig für Rollenspiele und das actionreiche Kampfsystem übrighat und über die Textlastigkeit hinwegsehen kann, der findet hier ein sehr spaßiges Spiel, das einen lange bei Laune hält. Sehr empfehlenswert!
(Autor dieser Rezension: Stjepan Prtenjaca)
- Plattform: Switch (getestet) PlayStation 4 und Steam
- Publisher: Aksys Games
- Entwickler: Nihon Falcom
- Genre: Jump and Run
- Spieleranzahl: 1 Spieler
- Release: 25. 07. 2024
- Preis zum Start: 49,99
- USK-Freigabe: 12
Wenn ich daran denke, dass ich mehr in meinem Leben mit Videospielen zu tun hatte als nicht, zeigt es mir zum einen, wie alt ich bin und wie lange ich mittlerweile dem Gaming zugetan bin. Meine erste Konsole war das SNES und spätestens ab diesem Zeitpunkt war ich dieser Leidenschaft verfallen, die bis heute anhält. Auch wenn durch den Alltag leider die Zeiten von verspielten Tagen vorbei sind.
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