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Drova: Forsaken Kin

Vor gut 2 Jahren bewies Publisher Deck 13 ein glückliches Händchen, welches sich auszahlen sollte. Das sich an J-RPG orientierte „16 – Bit“ Rollenspiel Chained Echoes aus der Feder von Matthias Linda sorgte weltweit für einen Achtungserfolg. Nicht nur dadurch, dass zur Kenntnis genommen wurde, das sehr gute Spiele auch in Deutschland entwickelt werden. Nun brachte im Herbst 2024 Deck 13 ein weiteres Rollenspiel aus deutschen Landen für PC und Konsolen heraus. Drova: Forsaken Kin wurde von ehemaligen Studenten aus Magdeburg entwickelt, die ihre Spieleschmiede Just 2D Interactive GmbH getauft haben. Mit der Zeit wuchs das Team auf die beschauliche Größe von 6 Entwicklern an. Ihr erstes Herzensprojekt landete nun in unserer Switch, und ob uns der Titel ebenfalls zusagt, erfahrt ihr nun.

Eine bessere Welt? Mitnichten!

Zu Beginn gestaltet ihr euren Helden oder Heldin nach euren Vorstellungen bzw. anhand der Möglichkeiten, die euch der Charaktereditor hergibt. Dann noch einen Namen verleihen und schon kann die Reise in das 2D Open World Rollenspiel beginnen. In welcher Welt die Geschichte beginnt ist nicht klar, bezogen auf die Erdgeschichte jedoch in einer Zeit, in der es noch Druiden gab (zur Zeit der Kelten grob 500 Jahre vor und nach Christus). Jedenfalls findet ihr einen mysteriösen Stein, der eure Druiden aufhorchen lässt, so sehr, dass er zu einem Portal gebracht werden soll. Dieses führt in die sagenumwobende Welt Drova, einem verheißungsvollen Land, in dem es besserzugehen soll, als in eurer Welt. Das Intro endet damit, dass ihr tatsächlich in Drova landet. Nur stellt ihr schnell fest, dass hier nicht um Land handelt, in dem Milch und Honig fließen, sondern es ähnlich schroff wie in eurer Realität zugeht. Das sagt euch auch der erste Mensch, dem ihr begegnet, der euch ebenfalls verrät, dass sich in der Nähe das Lager der Holzfäller befindet. Mit dem mysteriösen Stein im Gepäck, den es immer noch abzuliefern gilt, wird das Lager eurer erster Anlaufpunkt sein.

Asmus sagt euch frei Schnauze, wie es in Drova zugeht.

Bis dahin und im Folgenden bekommt ihr reichlich Gelegenheit, euch auf das Gameplay Drovas einzulassen. Hier nun ein kurzer Abriss. Mit dem linken Analogstick bewegt ihr euren Charakter und der rechte dient dazum euch zu drehen, ebenso bestimmt er die Schlag/Schussrichtung eurer Waffen. Auf dem Steuerkreuz habt ihr schnellen Zugriff auf Verbrauchsitems wie einer Heilung, auf B liegt der Dash/Ausweichbewegung und mit der rechten Schultertaste schlagt ihr zu. Die schnelle Bewegung und das Schlagen verbrauchen Ausdauer und wird in Form eines Balkens grünen Balkens dargestellt, der sich von alleine wieder erholt, sofern ihr euch eine kleine Pause gönnt. Auf der hinteren Schultertaste werden die zuvor über die linke, hintere Schultertasten festgelegten Fähigkeiten oder auch Spruchrollen ausgelöst. Letztere sind zwar sehr stark, gehören aber zu den Verbrauchsgegenständen und verbrauchen sich. Fähigkeiten wie euer „Schrei“ (hilft dabei Gegner ins Wanken zu bringen oder „Wunden“ zum Auslösen von Blutungseffekten) bedürfen Fokusenergie, die sich aufbaut, wenn ihr Feinde trefft. Je besser ihr also kämpft, umso mehr dieser Energie steht euch zur Verfügung. Umgekehrt gilt das natürlich auch. Beim Einstecken von Treffern nimmt die Energie in der Leiste wieder ab, ebenso sobald ihr euch im Kampf eine Pause gönnt, um zum Beispiel eure Ausdauer wieder aufzufüllen.

Aber weg von der detaillierten Erklärung, schließlich könnt ihr im Optionsmenü die Knopfbelegung ändern und daher die Steuerung nach eurer Vorstellung einstellen, was immer ein gern gesehenes Feature ist.

Durch den Tageszeitenwechsel werdet ihr auch immer wieder nachts in Drova unterwegs sein, sodass eure Fackel vermehrt zum Einsatz kommt.

Auch wenn die Welt von Drova dazu einlädt, euch abseits der Hauptwege ins Gebüsch zu schlagen, wird zu Beginn immer wieder erwähnt, dass außerhalb der Hauptwege größere Gefahren lauern, die euch schnell das Leben kosten. Auch diese Erfahrung habe ich gemacht. Aber versteht mich da nicht falsch, natürlich ist es euch überlassen, wie ihr das Spiel angeht und darin liegt die große Stärke. Denn seid ihr geschickt im Umgang mit den unterschiedlichen Waffen und dabei auch geduldig (da der ausgesteilte Schaden anfangs sehr gering ausfällt), dann könnt ihr härtere Brocken besiegen und somit mehr Erfahrungspunkte einstreichen. Ein Levelaufstieg bringt euch Lernpunkte, diese können bei erfahrenen Kämpfer-NPCs („Lehrer“) eingetauscht werden, meist gegen Stärke (erhöht den Grundschaden) und Geschick (erhöht die Chance auf kritische Treffer) und dazu im Speziellen. So lehrt euch ein Schwertmeister, wie ihr besser mit diesen Waffen umgeht, gleiches gilt für Axte, Speere usw. Jede Waffe spielt sich unterschiedlich, sodass ihr den Umgang erstmal lernen müsst, aber auch das macht wiederum den Reiz aus. Spielt ihr auf klassisch sind die Kämpfe sehr fordernd und ihr müsst auf eure Ausdauer und Lebensenergie achtgeben, achtlos umherschlagen wie bei einem Action-RPG führt zu keinem Erfolg. Da ihr jederzeit speichern könnt, solltet ihr von der Funktion auch Gebrauch machen. Wenn es euch nach mehr Gemütlichkeit ist, dann stellt den Schwierigkeitsgrad auf Entdecker um. In diesem könnt ihr verschiedene Parameter anpassen, unter anderem wie viel Schaden ihr erleidet. Ich würde jedoch fürs Spielerlebnis zum klassisches Modus plädieren.

Mehrere Wege zum Ziel

Nach dem Holzfällerlager wird es euch ins große Ruinenlager und in die Stadt Nemeton verschlagen. In Nemeton sollen Druiden leben, die euch vielleicht Antworten liefern können, was es mit dem Stein auf sich hat, der in eurer Welt gefunden wurde. Nemeton und das Ruinenlager sind sich nicht grün und später im Spiel könnt ihr euch entscheiden, für welche Fraktion eher euer Herz schlägt. Beide haben jedenfalls reichlich Quests für euch. Solange diese gut erzählt sind, macht es wenig aus, dass einige Standardquest wie besiege bestimmte Feinde oder bringe mir das eine oder andere Material dabei sind. Zumal manche Quest sogar mehrere Lösungsmöglichkeiten bietet. Die NPCs werden durch ihre Umgangssprache lebendig, die sich darin äußert, dass  kein Blatt vor den Mund genommen wird und daher mich an die Synchronarbeiten von Rainer Brandt (zum Beispiel Bud Spencer und Terence Hill) erinnert. Ich weiß zwar, dass fast alle Reviews im Netz den Gothic Vergleich ziehen, aber mit dem kann ich nicht ankommen, da ich Gothic nie gespielt habe (auch wenn mir zu Testzwecken ein Risen-Teil von Piranha Bytes in die Konsole gewandert ist, lange ist es her). Kleiner Exkurs: Geht es um die Atmosphäre erinnert mich Drova sogar an Secret of Evermore auf dem SNES. Dort werdet ihr auch in eine fremde Welt katapultiert und müsst euch einen Reim auf diese neue, ungewöhnliche Umgebung machen mit allen Mysterien, die dazu gehören.

Sobald ihr ein freies Bett findet, könnt ihr jederzeit schlafen gehen, was eure Lebensenergie komplett füllt. Zudem lässt sich an den Feuerstellen Nahrung herstellen (kochen)

Eine Quest zum Beispiel im Ruinenlager dreht sich um einen Arenakampf. Euch wird die Wahl gegeben, den Kampf zu manipulieren, sodass ein Kämpfer den sicheren Sieg davon trägt ODER ihr sagt dem Recken Bescheid, der Verlieren soll und diese Quest wird nicht im Sinne eures Auftragsgebers aufgelöst. Dabei geht es gar nicht darum, was falsch oder richtig ist. Auch beim Diebstahl verhält es sich ähnlich, auch wenn das moralisch verwerflich ist, bringt euch das natürlich voran, da wertvolle Gegenstände auf euch warten können. Man sollte sich halt nicht erwischen lassen.

Looten ist übrigens unbegrenzt möglich. Anders als bei manch anderem RPG gibt es kein Tragelimit, nehmt also alles mit, was euch in die Finger kommt. Es lohnt sich, denn auch Craften spielt in Drova eine  Rolle. Kleine Beispiele: Gebratenes, gutes Fleisch heilt mehr als sehniges, oder auch aus der Heilpflanze und Beeren lässt sich die Heilsalbe herstellen, die ebenfalls mehr heilt als die jeweilige einzelne Zutat. Je mehr Stuff ihr im Gepäck habt, umso mehr lässt sich verkaufen für mehr Geld in eurer Tasche und das wiederum lässt sich für bessere Waffen und Gegenstände investieren. Ein schöner und motivierender Kreislauf und damit ein essentielles Element in einem RPG. Häufig verbunden werden in Quests wird auch die Untersuchungsfunktion, mit der ihr zum Beispiel Fußpuren aufspürt oder Dinge genauer unter die Lupe nimmt. Den Untersuchungsmodus aktiviert ihr durch das Drücken des rechten Analogsticks.

In eurem Spielermenü findet ihr euer Inventar, eine Übersicht über eure Fähigkeiten, Talente und Handwerk (Craften), Landkarten und das Tagebuch, indem Quests und deren Fortschritte vermerkt werden.

Auch verschiedene Fernkampfwaffen wie diese Schleuder stehen zur Verfügung.

Lost in Drova?

Bei der Recherche bin ich auf die Entwicklerseite von Just 2D Interactive gestoßen. Ihre Designerphilosophie besteht unter anderem aus „Wir designen unsere Spiele explizit so, dass Spielerinnen und Spieler keine künstlichen Elemente wie eine Minimap oder Questmarker benötigen, um sich in der Welt zurecht zu finden.“ Ein Punkt, den ich zunächst einmal unterschreibe.

Dennoch kam ich mir bei Drova manchmal etwas verloren vor. Auf der Karte lassen sich zwar ein paar Markierungen setzen, jedoch wäre ein Cursor hilfreich, der dann bereits besuchte Orte per Schrift anzeigt. Ebenso wäre je Stadt eine genaue Übersicht eurer Questgeber hilfreich, am besten mit Porträtfoto, um so stets den Überblick zu wahren, wie eure Auftragsgeber aussehen und wo sie zu finden sind. Euer Tagebuch unterscheidet da nur von Ort zu Ort. Und dann kann das Problem der Orientierungslosigkeit auftreten (besonders falls ihr eine Spielepause eingelegt haben solltet) wo in der Welt zum Beispiel die Taverne ist. Dazu wäre es toll, wenn ihr in die Karten rein- und rauszoomen könntet, um Wege und die Topographie deutlicher zu erkennen. Da das alles nicht der Fall ist, müsst ihr euch die Spielwelt sehr gut einprägen, um euch Laufwege zu ersparen, nicht zuletzt auch deshalb, weil es keine Schnellreisefunktion gibt.

An einer Stelle fiel mir auch ein Questbug auf, den ich aber zum Glück umgehen konnte, sodass sich die Aufgabe doch noch auflöste. Auch hatte ich in den ersten Spielstunden Spielabstürze in aller Regelmäßigkeit, die mir den Spielspaß raubten. Zum Glück erschien dann ein Patch, sodass ich seitdem keine Spielabstürze mehr hatte. Ansonsten habe ich manchmal das Gefühl, dass es hier und da leichte Performance Probleme gibt. Es ist toll, dass man die Größe des Schriftgrades einstellen kann, aber selbst unter der Einstellung „sehr groß“ ist die Schrift für meine Begriffe einen Tick zu klein. Das gilt sowohl für den Handheld als auch Docked Modus. Das macht das Lesen von Texten auf Dauer unnötig anstrengend.

Abseits dieser Kritik sei hier noch die gelungene Grafik hervorgehoben. Man merkt der Spielwelt an, dass sie handgearbeitet ist, dass eine Idee einer kohärenten Welt dahintersteckt, die durch eine abwechslungsreiche Flora und Fauna besticht. Sie wirkt organisch und lebendig, was für die Kreation einer glaubwürdigen Spielwelt ein wichtiger Punkt ist. Zur Atmosphäre trägt dann auch die Soundkulisse bei, sowohl was die musikalische Begleitung als auch die „Umgebungsgeräuschkulisse“ anbelangt. Je nach Situation ändert sie sich. Zum Beispiel, wenn ihr eine Taverne geht und dort im Hintergrund Musik gespielt wird und ihr das muntere Treiben wahrnimmt.

In der Taverne herrscht vor allem nachts munteres Treiben.

Fazit

Trotz optionalen Entdeckermodus würde ich Drova jetzt nicht als ein sehr zugängliches West-RPG bezeichnen, sondern eines auf das man sich einlassen muss, weil es bewusst den Spieler fordert und diesen nicht durch zig Questmarker an die Hand nehmen will. Drova ist eine anspruchsvolle Welt, in der jeder Fortschritt erkämpft werden muss, jedoch in einem Maße, das es mich und wahrscheinlich dann auch euch motiviert. Ein Rollenspiel, mit dem ihr euch lange beschäftigen könnt, euch aber dann nicht (zum Glück) mit einer gigantischen Open World erschlägt. Ich kann für Drova eine Empfehlung  aussprechen, für ein Erstlingswerk hat Just 2D Interactive erstaunlich gut abgeliefert.

  • Plattform: getestet auf Nintendo Switch, auch auf PlayStation, PC und Xbox erhältlich
  • Publisher: Deck 13
  • Entwickler: Just 2D Interactive
  • Genre: Action-RPG, Open World
  • Spieleranzahl: 1-Spieler
  • Release: 15. 10. 2024
  • Preis zum Start: 24,99
  • USK-Freigabe: 12

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