Das Gute an der Indie-Szene ist vor allem auch, dass zahlreiche Games erscheinen, die sich als bewusste Hommage an vergangene Spieleklassiker verstehen und damit ebenso gewisse Spielelücken füllen können, wenn die jeweiligen Originalserien nicht fortgesetzt werden. Eines dieser Beispiele ist Gunlord X auf der Nintendo Switch. Für den Titel zeichnet sich das deutsche Entwicklerteam NGDEV aus Hannover verantwortlich und hat sich als Vorbild eindeutig den Klassiker Turrican vorgenommen. Es ist eine bewusste Würdigung, schließlich werden im Abspann beim Besonderen Dank Manfred Trenz (Erfinder von Turrican) und Factor 5 (Entwickler diverser Turrican-Spiele) erwähnt. Gunlord erschien zunächst 2012 als Neo Geo- und sogar als Dreamcast-Titel. Bei der nun vorliegenden Fassung handelt es sich nicht um eine einfache Portierung. So wurden diverse Änderungen vorgenommen. Dazu gehören zum Beispiel mehr Bosskämpfe, eine neue Stage oder auch, dass die Level erweitert wurden. Eine komplette Liste der Änderungen findet ihr hier.
Laufen, springen und schießen
Auch Gunlord X ist ein klassischer Run and Gun – Titel (wird auch als Eurostyle Platformer bezeichnet). Das bedeutet, ihr steuert eine Spielfigur, die sich ballernd, laufend und springend fortbewegt. Diese drei Tugenden werdet ihr mit Ausnahme der beiden Shoot‘ em Up Level anwenden. Auch wenn die Story nicht erwähnenswert ist: Ihr seid Gunlord und müsst eure Frau Vanessa und das Universum vor einer bösen Macht namens Master bewahren. Da ich in diesem Test nicht drum herumkommen werde, mich immer wieder auf Turrican zu beziehen, wird Gunlord X auch daran gemessen, wie gut es mit der Serie aus den 90ern abschneidet. Vor allem an Super Turrican 2 (1995 SNES) werde ich dabei denken, weil es der Titel ist, den ich über lange Zeit gespielt habe.
Die meisten Level sind weitläufig aufgebaut und erstrecken sich sowohl horizontal als auch vertikal. Dadurch vollzieht ihr ziemlich viele Sprünge und es gibt viel zu entdecken. Da wären zum einen mehrere Wege als auch Sackgassen, in denen Goodies wie Extraleben, Waffen oder auch Diamanten warten können. Letzteres gibt es in Groß und Klein. Sammelt ihr innerhalb eines Levels alle großen ein, dann erhaltet ihr weiteres Continue. Das ist aber alles andere als leicht, da manche sehr gut versteckt sind.
Sind alle Leben und Continues aufgebraucht, geht ihr Game Over und der Level muss man vorne gestartet werden. Ihr müsst also nicht– anders als es noch früher der Fall war – das Spiel von ganz vorne starten oder irgendwelche Passwörter eingeben. Es reichen übrigens 3 Treffer aus und ihr verliert ein Leben, was in manchen Situationen recht fix geschehen kann, wenn ihr von einer Horde Gegner überrascht werdet oder die Geschosse nur so auf euch zufliegen.
Das Waffenarsenal ist überschaubar und wechselt innerhalb eines Levels häufig, da ihr alle naselang in fliegenden Kisten durch Beschuss, Goodies wie Energie, Waffen und Power Bombs (eine begrenzte bildschirmfüllende Attacke) bekommen könnt. Diese Kisten können auch im Verborgenen liegen. Einmal durch Beschuss aufgedeckt, dienen sie dann dazu, an Orte zu gelangen, die vorher scheinbar nicht erreichbar waren.
2 weitere wichtige Moves sind die Rolle und die Extrawaffe (beide verbrauchen eine extra Energie, die per Anzeige am unteren Bildschirm angezeigt wird und sich von alleine regeneriert). In der Rolle könnt ihr kleine Bomben zünden, bewegt euch schneller fort und seid vor allem unverwundbar, was vor allem bei den Bosskämpfen eine unverzichtbare Bewegung ist. Die Extrawaffe funktioniert wie ein lang gezogener Energiestrahl, teilt einen ordentlichen Schaden aus und kann sogar Feindgeschosse abwehren, die eure Standardwaffen durch Beschuss nicht beseitigen können.
Beide Funktionen sind 1:1 von Turrican übernommen wurden, sodass es auch im Bewegungsrepertoire und Waffenarsenal mehr als nur eine Parallele gibt.
In den großen Leveln warten außerdem mehr als nur ein Bossgegner auf euch, sodass es auch immer wieder größere Hürden zu überwinden gilt. Daher lohnt es sich umso mehr, möglichst viel vom Level zu erkunden, um viele Goodies einsacken zu können. Beim ersten Durchspielen lag meine Zeit in diesen Leveln zwischen 10 und knapp 30 Minuten, was für ein solches Game recht lange ist.
Abwechslung von diesen Abschnitten werden in 2 Shoot’em Up Leveln und einem Autoscroller geboten. Letzterer orientiert sich thematisch eindeutig an den dritten Level aus Super Turrican 2. Ihr seid in einer Fabrik und müsst nicht nur knifflige Sprünge meistern, sondern auch dabei den Weg frei räumen und Gefahren ausweichen wie Gase, die aus Lecks von Rohren kommen.
Hart aber fair?
Gunlord X verlangt schon mitunter einiges von euch, was den Schwierigkeitsgrad anbelangt. Aber die Action würde ich größtenteils als fair bezeichnen, zumal es sich auch hier wieder beweist: Übung macht den Meister, etwas Geduld müsst ihr aber mit euch bringen. Wer nach ein paar Game Over bereits aufgibt, wird das Ende des Spieles nicht erleben. Ihr bekommt es also eher mit der alten Schule zu tun, in denen euch Levelkenntnisse weiterbringen, ebenso die Bewegungen und Attacken der Bosse zu beobachten, um sich darauf einzustellen und dann effektiv ausweichen zu können.
Keine 2 Meinungen gibt es zur Präsentation. Was hier grafisch euch an Sprites und Partikeleffekten geboten wird, wäre zu 16-Bit Zeiten ein absoluter Traum gewesen. Dazu erfreut ihr euch an 60 Bildern pro Sekunde. Sowohl auf dem Fernseher als auch Handheld gibt Gunlord X immer eine gute Figur ab. Einzig das Gegnerdesign hätte mehr Eigenständigkeit vertragen können, denn auch hier ähnelt vieles an Turrican. Musikalisch werden euch schöne Synthie-Klänge und gute Beats geboten, die einem Soundtrack von Chris Hülsbeck (Turrican) in nichts nachstehen. Hier bekommt ihr es mit Melodien zu tun, die sich einprägen und jedes Level kommt mit einem eigenen Thema daher. Die Musik in Level 6 erinnerte mich außerdem an Metroid.
Weniger fair ist dagegen, dass ihr immer wieder in Situationen geworfen werdet, in denen ihr keine Einsicht habt, was euch erwartet und zwar eben in einem nicht ganz fairen Maß. Man kann zwar den Bildschirm scrollen lassen, um zu schauen was über oder unten einem ist. Aber es ist häufig so, dass man in der Action dafür keine Zeit hat, sodass man Gefahr läuft, in Geschosse/Gegner reinzulaufen oder auch in Abgründe zu landen.
Nach dem Durchspielen landet ihr sofort in ein New Game Plus und der Speedrun-Modus wird freigeschaltet. Merkwürdig und schade zugleich ist, dass eurer Spielstand überschrieben wird, sodass eurer bisheriger Fortschritt und damit die Levelauswahl komplett flöten gehen. Im New Game Plus tauchen in den Leveln sogar Abkürzungen auf. Vielleicht sind euch beim ersten Durchspielen rote Blöcke aufgefallen, die manchen Weg versperrt haben. Nun ist der Weg frei.
Ich, und das ist nur meine persönliche Meinung, hätte es lieber gesehen, wenn es 1,2 geradlinige Level mehr gegeben hätte und dafür der Anteil der großen Gebiete etwas geringer ausfallen würde.
- Plattform: Nintendo Switch
- Publisher: NGDEV
- Entwickler: NGDEV
- Genre: Action, Platformer, Run and Gun
- Spieleranzahl: 1
- Release: 22. Mai 2019
- USK-Freigabe: 6
Wenn ich daran denke, dass ich mehr in meinem Leben mit Videospielen zu tun hatte als nicht, zeigt es mir zum einen, wie alt ich bin und wie lange ich mittlerweile dem Gaming zugetan bin. Meine erste Konsole war das SNES und spätestens ab diesem Zeitpunkt war ich dieser Leidenschaft verfallen, die bis heute anhält. Auch wenn durch den Alltag leider die Zeiten von verspielten Tagen vorbei sind.
[…] vom Entwickler Ace Team aus Chile lässt sich einleitend der gleiche Satz hervorholen, den wir in unserem Test von Gunlord X verwendet haben. Denn auch bei Sol Seraph fühlt man sich direkt an einen alten Spieleklassiker […]